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Nachdem die Handwerksbetriebe im Laufe der vergangenen Monate durch die starken Anstiege der Materialpreise und die unberechenbaren Lieferverzögerungen in ihrer Preiskalkulation und Planungssicherheit enorm belastet wurden, erhöht sich aktuell der Druck durch steigende Energie- und Produktionskosten weiter. Wie bereits im Rahmen der pandemiebedingten Preissteigerungen, besteht auch bei dieser Problematik die beste Lösung darin, seine Verträge mit entsprechenden Preisgleitklauseln auszustatten, auf deren Grundlage sich eine Preiserhöhung gegenüber dem Kunden durchsetzen lässt. Hat man dies im Vorfeld der Vertragsanbahnung versäumt, bleibt im Wesentlichen nur der Versuch einer einvernehmlichen Einigung.

Im Sommer vergangenen Jahres haben wir zu diesem Themenbereich mit Schwerpunkt „Corona-Pandemie bedingte Materialpreissteigerungen“ ein Onlineseminar durchgeführt, welches Sie sich unter folgendem Link noch einmal anschauen können:

Zwar haben die momentanen Preissteigerungen im Bereich Energie- und Produktionskosten mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie nichts mehr zu tun. Allerdings dürfte der Krieg gegen die Ukraine ebenso wie die Pandemie sicher als ein Akt Höherer Gewalt im Sinne des Vertragsrechts gelten. Dies bedeutet für damit einhergehende Lieferprobleme und Verlängerungen von Vertragsfristen, dass die Partei, die von dem Akt Höherer Gewalt überrascht wurde, ihre Vertragspflichten ruhend stellen kann, ohne hierfür Sanktionen wie Vertragsstrafen fürchten zu müssen. Eine Preiserhöhung kann damit allerdings nicht ohne weiteres begründet werden. Nachfolgend finden Sie daher eine Übersicht zu den verschiedenen Handlungsoptionen je nachdem, welche Art der Vertragsbeziehung und Ausgangssituation vorliegt.

I. Verträge mit Unternehmern:

1. Situation vor Vertragsschluss:

Bei allen neuen Angeboten sollte der Hinweis aufgenommen werden, dass das Angebot davon ausgeht, dass Materiallieferungen pünktlich erfolgen und der Einsatz von Arbeitnehmern ohne Einschränkungen möglich ist. Weiterhin sollte besprochen werden, dass sich die angebotenen Fertigstellungstermine durch die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen ver­längern können. Es sollte klar gemacht werden, dass das Angebot auf den aktuell abgerufenen Preisen der Lieferanten/Hersteller beruht und sich dieser kurzfristig ändern kann.

  • Vereinbarung von Preisgleitklauseln!
  • Großzügige Kalkulation von Preisen und Leistungsfristen
  • Enger Kontakt zum Lieferanten
  • Kurze Angebots-/Bindefristen
  • Preise unter Vorbehalt setzen
  • Transparente Kommunikation

Sobald ersichtlich ist, dass die vertraglich vereinbarten Bauabläufe gestört werden könnten, weil Material nicht lieferbar ist, oder sich die Preise erhöhen, sollte unverzüglich eine Behinderungsanzeige/Information an den Kunden versendet werden.

2. Situation bei bereits bestehenden Verträgen:

Bei bereits geschlossenen Verträgen ohne Preisgleitklausel besteht kein vertraglicher Anspruch auf Anpassung der Vergütung bei gestiegenen Preisen.

  • „pacta sunt servanda“-Verträge sind einzuhalten

Die Vertragsparteien sind auch bei marktwirtschaftlichen Sondersituationen dazu verpflichtet, den Vertrag wie vereinbart durchzuführen.

Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB:

  • Festhalten am Vertrag in seiner ursprünglichen Form muss für den Auftragnehmer zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnissen führen - dann besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Vertragsanpassung
  • Nach bisheriger Rechtsprechung sind diese Voraussetzungen nur in Einzelfällen erfüllt - Preiserhöhungen in Richtung 100 % und Belastungen bis zum Konkurs sind Richtwerte
  • Einzige Möglichkeit ist eine Kulanzlösung
  • Mengenmehrungen, Nachträge

II. Verträge mit Verbrauchern:

1. Situation vor Vertragsschluss:

Wie unter I.1.

  • enger Kontakt zum Lieferanten
  • kurze Angebotsfristen
  • Preise unter Vorbehalt setzen
  • offene Kommunikation der Situation - Vereinbarung von Preisgleitklauseln - sollten immer individuell besprochen und angepasst werden!
  • Großzügige und exakte Kalkulation
  • Freibleibende Angebote erstellen - deutlicher Hinweis erforderlich!

2. Situation bei bereits bestehenden Verträgen:

  • Preisgleitklauseln gegenüber Verbrauchern sind AGB-rechtlich schwer umsetzbar und im Zweifel nicht durchsetzbar - dennoch sollten Sie auch hier im Rahmen einer Individualvereinbarung genutzt werden
  • Grundsätzlich ist das Risiko für Preissteigerungen beim Auftragnehmer verortet - somit bleibt lediglich die Kompromisslösung der Unterzeichnung eines Nachtrags bzw. der Preiserhöhung, je nachdem, ob ein Einheits- oder Pauschalpreisvertrag vorliegt.

III. Öffentliche Aufträge

  • unbedingt auf die Aufnahme von Preisgleitklauseln bestehen (durch Bieteranfrage vor Angebotsabgabe) - ohne diese ist auch eine Bindefristverlängerung nicht anzuraten

Letztlich muss jeder Vertrag individuell betrachtet werden. Hilfestellung erhalten Sie bei Ihrer Handwerkskammer, Rechtsberaterin Silvia Nestler. Mit ihr können Sie besprechen, wie in Ihrem konkreten Fall am besten zu verfahren ist.

Die Übersicht können Sie sich hier auch noch einmal downloaden.

Ansprechpartner in der Handwerkskammer Chemnitz: Silvia Nestler | 0371 5364-245 | .

 

 

11.03.2022